Tagebuch
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December November October September August July June May April March30.04.2002
Zürich-Prömiäre
Wir schreiben gerade mitten aus der Vorstellung aus der Garderobe über Laptop und Infrarot-Handy.
Im Zelt beklatschen 2500 gutangezogene Menschen, die der Premièreneinladung Folge geleistet haben und schon vor der Vorstellung für die Schweizer Illustrierte posiert haben, Julien, den Seiltänz(l)er.
Das Bild zum ersten Abend auf der Sechseläutenwiese haben wir noch nicht, das müssen wir erst noch finden.
Morgen mehr.
29.04.2002
Nachwuchs
Heute nachmittag kam ein junges Kamel zur Welt.
Mitten auf dem Bellevue, der dichtbefahrenen Verkehrsinsel in Zürich.
Das wäre an sich nichts Aussergewöhnliches – besonders daran ist einzig, dass niemand bemerkte, dass das Muttertier, welches gestern noch wie üblich seine Runden in der Manege absolvierte, im dreizehnten Monat schwanger war.
Kamele sind allgemein füllige Tiere, heisst es.
Um so erstaunter war der Zirkusdirektor heute, als ihn ein aufgeregter Arbeiter rief: «Herr Fredy, dem Kamel schaut ein Kopf zum Bauch heraus...!»
Das Kleine ist schon ziemlich gross, und steht schon wenige Stunden nach der Geburt auf seinen wackeligen Beinen.
Und die Mutter? Die hat jetzt erst mal ein paar Tage Pause - Mutterschaftsurlaub!
28.04.2002
Letzter Abbautag!
Heute werden die Schläuche für die nächsten 5 Wochen zum letzten Mal hier abgeschraubt und dort neu montiert. Nicht nur unsere strapazierten Arbeitshandschuhe, auch wir werden uns bald ein wenig von der Reiserei ausruhen können.
Wir ziehen nach Zürich, auf die Landiwiese, an den See, nach Hause.
Natürlich freuen wir uns – wann wohnt man schon in der eigenen Stadt an privilegierter Lage, am Ufer des Sees!
Und langsam wird klar, dass der Mai wirklich kommt, und nicht weiterhin als abstraktes Datum am Horizont klebt. Genau so wie vor gut einem Monat plötzlich die Première vorbei war, bereits seit Tagen vorbei war, bis uns endlich klar wurde, dass das Abenteuer im Zirkus begonnen hatte.
Bereits sind mehr als 50 Vorstellungen abgespielt! Wir sind also mittendrin in der Tournee, die doch eben erst gestartet hat.
27.04.2002
Marokkis
(Foto: Geri Born)
Sie sind omnipräsent. Sie machen Einlass. Sie sind Platzanweiser. Sie tragen Teppiche, Podeste und Requisiten rein und raus, ziehen Spannseile an, öffnen den Vorhang und wischen die Kamel-, Pferde- und Elefantenhaufen aus der Manege. Sie sammeln nach der Vorstellung den Abfall zusammen, lassen im Zoo Kinder auf Ponys und Elefanten reiten, putzen allabendlich die Stiefel der Direktion, wohnen in kleinen Kojen und essen in der Mannschaftsküche. Nebenbei bauen sie auch noch das 2500er-Zelt auf und ab (zusammen mit den Polen, deren Porträt hier im Tagebuch noch folgen wird).
Sie sind meistens gut drauf, blödeln viel rum und spielen uns nach, wenn wir in der Manege stehen. Ohne sie würde hier gar nichts laufen – höchste Zeit also, dass sie hier mal verewigt werden!
(Insgesamt sind zurzeit knapp 30 Marokkaner im Knie beschäftigt. Die meisten von ihnen sind schon über 5 Jahre dabei. Hier im Bild, v.l.n.r. Mbark, Lahoussine, Mohammed, Nadeschkin, Blal, Hammid, Abdeulkdr, Lharbi, Ursus und Lahoussine)
26.04.2002
Autogrammjaeger
«Siiiiiiiiiie? Döfichesautograaamm?»
Wenn ein Kind kommt, und kein zweites in Sicht ist, ist das Autogrammgeben absolut gefahrlos, dann darf man's ruhig tun. Ratsam ist es allerdings, dass man diesem kleinen Fan gleichzeitig ganz geheimnisvoll klar macht, dass er's niemandem weitersagen darf! Sonst rennt der nämlich sofort los, und alarmiert seine gesamte Schulklasse, (und die Parallelklasse, und deren Partnerschulen) die irgendwo im Hintergrund, mit Zetteln, Jacken, Kappen, Hosen, Taschen etc. bewaffnet, uns als Autogrammjäger mit Kugelschreibern auflauern.
Nun: Wenn bei uns eine Pause zwischen der einen und der anderen Show zwei Stunden zählt (= grosse Pause), in denen wir abschminken, zum Campingwagen gehen, duschen und kochen wollen, kurz ausruhen, um dann wieder rechtzeitig zurück im Zirkusgarderobenwagen zu sitzen, und neu zu schminken, ja dann geht Autogrammgeben möglicherweise irgendwo dazwischen, knapp.
Wenn aber eine Pause nur eine Stunde lang ist, zum Beispiel Sonntags zwischen 17 und 18 Uhr, dann geht's überhaupt nicht. Und weil die guten, echten Fans in solchen Momenten nie verstehen werden, warum es jetzt, wo sie uns doch so live und nah wären, trotzdem kein Autogramm gibt, ist dann das Beste für uns, dass wir uns augenblicklich im Garderobenwagen einsperren, um dort konsequent so lange reglos zu warten, bis das Rütteln und Rufen von draussen verklungen ist.