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Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar27.02.2008
Graziella Contratto im Interview
© Der Bote der Urschweiz
Die Fragen stellte Silvia Camenzind, und beantwortet hat sie Graziella Contratto, unsere Dirigentin bei unserem nächsten Streich «IM ORCHESTER GRABEN»
Foto: Geri Born (wer sonst!)
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Ursus & Nadeschkin?
Die Zusammenarbeit ergab sich – wie so oft bei mir – durch eine Kette von Assoziationen: Ich hatte Urs Wehrlis unverschämt raffinierten Bildbände ‘Kunst Aufräumen’ entdeckt, wo berühmte Gemälde der Kunstgeschichte, z.B. von Van Gogh, Matisse, Pollock etc. auf ihren (Un)Ordnungswert hin untersucht werden. Das Sanatoriumszimmer eines Van Goghz.B. erscheint durch Urs Wehrlis Eingriff endlich aufgeräumt, die Pantoffeln unter dem Bett, der Schirm an der Wand, und bei Pollock werden die verschiedenen Farbspritzer kurzerhand in die Farbdosen zurückkatapultiert.
Beim Anblick dieses sehr unverbrauchten und ein klein wenig provokanten Umgangs mit Kunst kam mir die Idee, dasselbe mit einem Monument der klassischen Sinfonik zu tun: Aufräumen in Beethovens Fünfter. Urs Wehrli als Ursus und Nadja Sieger als Nadeschkin waren erstaunlich rasch von der Idee zu begeistern – was uns sehr ehrt! Und die Camerata Schweiz, deren künstlerische Leitung ich seit 2004 innehabe, hat sich als ideales Expermientierensemble herausgestellt.
Sie sind offen für Neues, für Experimente und Unkonventionelles. Was reizt Sie an diesem Projekt?
In der Zusammenarbeit mit Ursus und Nadeschkin, die eben ihr 20jähriges Jubiläum feierten, entdecken die Camerata und ich selbst eine für uns klassische Musiker hochspannende Art von Kunstverständnis, eine Philosophie des unschuldigen, aber folgenreichen Infragestellens. Die beiden ‘Clowns’ (der Begriff ist eigentlich zu eng, um ihre Arbeit zu definieren) bringen die Granitblöcke der Beethovenschen Komposition ins Wanken, dafür treffen sich unser aller Gefühl für Rhythmus und Dramatik. Als die beiden in den ersten Probentagen auch einmal dirigieren durften, waren wir alle vollkommen beeindruckt von ihrem natürlichen Talent, Bewegung und Klang, Vision und Präzision auf einen Nenner zu bringen!
Mittlerweile bin ich am Text auswendig Lernen….um irgendwie nicht als völliger Looser neben den beiden Profis aus der Bühne herumzustolpern.
Wie ist es, wenn ein Orchester immer wieder unterbrochen wird? Wie kann man da wieder einsteigen?
Es stimmt schon, dass das Unterbrechen eines klassischen Werkes einem Sakrileg gleichkommt – die Unterbrechung, die von Ursus und Nadeschkin provoziert wird, lässt eben jenen philosophischen Atem des Zweifels in die Symphonie einströmen - und so wird Neues erfahrbar gemacht. Beethoven war selbst ein INFRAGESTELLER par excellence! Er war ruppig, unvorsehbar, gleichzeitig tiefgründig und ein Philanthrop.
Richtet sich „Im Orchester graben“ an ein Publikum, das sich sonst nicht klassische Musik anhören würde?
Unbedingt! Ich bin allerdings sicher, dass auch ein klassikgewohntes Publikum völlig neue Erfahrungen machen wird. Es wird etwas über sich selbst erfahren! Und über Beethovens Freizeitbeschäftigungen, über die klassische Sonatenhauptsatzform, über den Ursprung des Klangs…..
Was braucht ein Orchester, damit ein solches Experiment überhaupt möglich ist?
Ein Orchester muss alles hinter sich lassen, was es an gewerkschaftlicher Absicherung, an klassischer Ausbildung, an gutem Benehmen auf der Bühne mit den Jahren gelernt oder herausgebildet hat. Lassen Sie mich nur erwähnen, dass wir uns unter der Anleitung des grossartigen Regisseurs Tom Ryser am ersten Probenwochenden plötzlich auf allen Vieren am Boden herumtappend wiederfanden, und jeder Musiker musste sein inneres Hundegebell finden…
Daneben sind wir auf der Bühne natürlich wieder die Profis mit dem gewohnt perfektionistischen Anspruch, Beethovens Musik so genau und schön wie möglich wiederzugeben. Der Kontrast zwischen Seriosität und den philosophischen Fragen muss sehr stark wirken!
25.02.2008
Orchesterpause & Frühlingsgefühle
Unsere neue Produktion IM ORCHESTER GRABEN geht in die Schlussphase. Die letzten und die nächsten Tage sind gerade voll mit Proben mit und ohne Orchester. Noch selten waren Probentage so strukturiert wie in dieser Produktion, denn wenn man bei einem 40köpfigen Orchester ankündigt, dass von 10 bis 18 Uhr gearbeitet wird, dann wird von 10 bis 18 Uhr gearbeitet. Das ist wunderbar.
Natürlich sind auch die Pausen gewerkschaftlich geregelt... und zwar sowohl die Achtel-, Viertel- und Kaffeepausen. Wie man den pausierenden Musikerinnen und Musikern auf dem Bild ansehen kann, wird sogar in den Pausen eine gewisse (wenn auch leicht abgewandelte) Orchesterordnung eingehalten.
Wir hätten eigentlich bei dem Wetter auch draussen proben können – dann allerdings statt Beethovens 5ter Sinfonie eher Vivaldis "La Primavera"!
18.02.2008
Amusement Centre
Falls Sie in den letzten Tagen auf unserer Homepage gelandet sind und sich gefragt haben, warum in den letzten Wochen unser Tagebuch so selten aktualisiert wurde, denken Sie einfach daran: es gibt andere Amüsier-Institutionen, bei denen ist auch nicht viel los!
PS: Der Grund für die akute Tagebuchruhe: wir sind am Proben...
05.02.2008
Nebenjob
Nadeschkin's Nebenjob in den Cameron Highlands – Malaysia.
Die Bezahlung ist super, nur das Pendeln ist etwas anstrengend...
05.02.2008
Komik nach Noten von Beethoven
© Coop Zeitung; 29.01.2008 - 5.2.2008
«Im Orchester graben»
Das Komiker-Duo will Wortakrobatik und die berühmte Sinfonie Nr. 5 von Beethoven unter einen Hut bringen: ta-ta-ta taaaa!
Wie klingt Beethovens 5. Sinfonie, wenn man sie rückwärts spielt? Das Sinfonieorchester Camerata Schweiz macht es vor. Zusammen mit Ursus & Nadeschkin. Die Komiker haben sich auf die Bühne verirrt. Dort stossen sie mit der Dirigentin zusammen. Die erschrickt. Die Musik ver-stummt. Sichtlich erbost weist sie den zwei «Fremden» den Weg nach draussen. Eingeschüch-tert treten die beiden rückwärts von der Bühne. Die Musiker spielen wieder. Doch sie spielen das Stück nun rückwärts, nach Noten! «Eine Computersoftware macht es möglich. Sie rechnet die Melodie um und druckt eine komplett neue Partitur aus», erklärt die künstlerische Leiterin des Orchesters, Graziella Contratto.
Die Dirigentin hat ein Gespür für musikalische Experimente. Mit Ursus & Nadeschkin hat sie die idealen Partner gefunden, eine Idee zu verwirklichen; nämlich Comedy und klassische Musik zu verbinden. Das Ergebnis dieser Begegnung wird in ihrer diesjährigen Tournee «Im Orchester graben» zu sehen und zu hören sein.
Schon das Wortspiel allein ist Programm. Trennt man das Wort an der richtigen Stelle, ergibt sich ein völlig anderer Sinn. Für diese Art von Wortwitz ist das Komiker-Duo bekannt. Dafür werden sie ge-schätzt. Das Sinfonieorchester Camerata Schweiz wird dafür geschätzt, dass es klassische Musik in Perfektion interpretiert. Führt man diese scheinbaren Gegensätze zusammen, wird eine geballte Ladung Kreativität frei. Tom Ryser lenkt diese in die richtigen Bahnen. Der Regisseur von «Sekretärinnen» und «Meisterklasse» weiss wie kein anderer Stücke zu inszenieren, wo es noch keine Lösungen gibt.
Schon bei den ersten Proben zur Tournee entdeckte er ein grosses Potenzial an Komik. «Die Musiker jedenfalls bewiesen zu jeder Zeit genug Selbstironie, um ihre eigene Position mit Humor in Frage zu stellen», so Ryser.
Die 5. Sinfonie bietet sich für solch ein Projekt sehr gut an. «Das ist streng komponierte Musik, bei der kein einziger Ton dem Zufall überlassen wurde. Hier ist der Reiz gross, das Stück noch einmal neu zu denken», sagt Graziella Contratto. Die Intendantin des Davos Festival «Young Artists in Concert» ist begeistert. «Wir wollten die Musik auf ihr komisches Potenzial hin untersuchen.» Den Musikern schien das keine Mühe zu bereiten. Einige haben so etwas schon in ähnlicher Form mitgemacht und sehen sogar Parallelen zu moderner Musik.
«Für uns Komiker ist ein Orchester mit seinen strengen Strukturen ein gefundenes Fressen, so etwas muss von uns ge-stört werden. Natürlich in einer kreativen Form.»
Nadja Sieger und Urs Wehrli sind sich einig. Sie haben vieles ausprobiert und konnten herausfinden, was mit dem Orchester alles funktioniert. «Einmal in der Tonhalle zu spielen, das ist ein Geschenk.»
Und das wird es ganz sicher auch fürs Konzertpublikum sein.
(Text: Elmar Wozilka, Fotos: Heiner H. Schmitt)
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